Kaufverhalten und Mobilität
Nicht mehr, sondern weniger Parkplätze in unmittelbarer Ladennähe sind gut für das Geschäft. Wir regen an, dass sich auch in Wedel Händler*innen evidenzbasiert mit den möglichen Vorteilen aktiver Mobilitätsformen auseinander setzen.
Parkplatz weg - Umsatz weg
"Dann bricht der Umsatz um 20 - 30% ein" ist häufig die reflexhafte Antwort auf den Vorschlag, den motorisierten Verkehr in der Innenstadt zu reduzieren. Evidenz gibt es eher für das Gegenteil.
Weniger Parkplätze - höhere Mieten
Diese Relation berichtet eine aktuelle Studie aus Aachen. Für Innenstadt-Immobilien ohne direkte Parkmöglichkeit vor der Tür werden höhere Mieten verlangt als für Immobilien mit Autos vor der Tür. Funktioniert, so lange im Umkreis von 500 - 1000 m Parkplätze vorhanden sind.
Weniger automobile Kund*innen als von Handel angenommen
Regelhaft überschätzen die Gewerbetreibenden den Anteil der Kund*innen, die mit dem Auto kommen und unterschätzen den Anteil der Rad- und Fußmobilen. Besonders krass ist die Überschätzung, wenn der/die Gewerbetreibende selbst mit dem Auto zum Geschäft fährt.
Nur jede*r Dritte ist in der Bahnhofstraße mit dem Auto unterwegs
Laut Online-Befragung der Stadt sind 30%, laut Verkehrszählung ca. 40% der Bahnhofstraßenbesucher mit dem Auto unterwegs. Wie viele davon durchfahren, ohne zum Einkaufen anzuhalten, ist nicht bekannt. Es ist also jetzt schon die Mehrzahl der Kunden zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Eigentlich kein Grund für die Gewerbetreibenden, eine allgemein attraktivere autofreie Bahnhofstraße zu fürchten. Nebenan, in Ottensen, wird dieses Modell jetzt konsequent umgesetzt. Nach einer längeren Testphase sind auch die Gewerbetreibenden mehrheitlich dafür. Ab Ende 2025 soll dann autofrei eingekauft werden können. Hoffentlich finden das nicht zu viele Wedeler*innen attraktiv.
Für die lokalen Geschäfte bringt Rad- und Fußverkehr mehr Umsatz als Autoverkehr
Diese Aussage mag überraschen, aber nur, wenn man sich von der o.g. Fehleinschätzung leiten lässt. Autofahrer*innen generieren zwar höhere Einzelumsätze, der Rad- und Fußverkehr bestreitet aber absolut den höheren Umsatzanteil, einmal aufgrund seiner höheren Einkaufsfrequenz und zum anderen, weil die Kundschaft zu einem viel größeren Teil aus Fußgängern und Radfahrerinnen besteht. Beide Aussagen, sowohl die hohen Umsatzanteile der aktiven Mobilitätsformen als auch die eklatante Fehleinschätzung der Gewerbetreibenden in dieser Hinsicht, sind evidenzbasiert. Zum Abbau von Vorurteilen lesen Sie dazu gerne das PDF oben rechts (Studie Schneidemesser).
Quintessenz: Bessere Infrastruktur für aktive Mobilität kann Händler*innen nutzen
„Die Ergebnisse unserer Umfrage stehen im Einklang mit einer wachsenden Anzahl an Studien, die nahelegt, dass eine verbesserte Infrastruktur für aktive Mobilität – also zu Fuß gehen, Rad fahren, den ÖPNV nutzen – wahrscheinlich der lokalen Wirtschaft zugutekommt“, sagt Dirk von Schneidemesser. Organisierte Wirtschaftsverbände sollten sich daher evidenzbasiert mit Vor- und Nachteilen für Wirtschaftsakteure auseinandersetzen, um die Interessen der lokalen Wirtschaft bestmöglich vertreten zu können.
(Dr. Dirk von Schneidemesser ist wissenschaftlicher Projektleiter am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Transformationsprozesse in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft angesichts der Verkehrswende sowie städtische Radverkehr und auto-arme Stadtquartiere.)